Solange wir keine Antwort auf die Ungleichheit der effektiven Lasten- und Nutzenverteilung zwischen den Geschlechtbiographien haben, werden wir unter Gleichberechtigung einen zu erbittenden und fallabhängig gewährten Gnadenakt durch die aktuell immer noch patriachal ausgerichtete Gesellschaft verstehen. Und wir werden das als Gesellschaft weiter ebenso normal empfinden, wie das ungleich größere Risiko von Altersarmut bei Frauen. Bestenfalls werden wir uns in Kollumnen ein „Schlimm, aber kannste irgendwie nix“ machen ins Stundenbuch schreiben.

Zynisch betrachtet – und aus Sicht des kollektiven Selbstverständnisses vielleicht gar nicht so abwegig – mutet es an, als würde sich das Patriarchat für die Emanzipierung rächen, indem sie die den Brunnen der gewonnenen Freiheit prompt mit individueller Schuld im Deckmäntelchen der Verantwortung vergiftet: Die Frau hätte ja keine Kinder bekommen müssen, war ja ihre Entscheidung. 

Wir müssen als Gesellschaft nicht nur kulturell und in Sonntagsreden begreifen, sondern auch alltagspraktisch leben, dass wir zu unserer Existenz zwingend die Diversität der Geschlechter brauchen und deren individuelle Teilhabe gleichermaßen und ohne Bittgesuche sicherstellen.

Wir müssen aufhören die Gesellschaft vom Manne her zu denken. Interessant, dass man sowas über hundert Jahre nach Einführung der Gleichberechtigung schreiben muss. Autos brauchten gerade mal 50 Jahre, um die Gesellschaft völlig auf sich auszurichten. Die Vernetzung keine 25 Jahre, Handys als lebensnotwendiges gerade mal 10 Jahre. 

Aber die Etablierung und Sicherung einer tatsächlich gleichberechtigten Teilhabe von Frauen haben wir in der Geschichte unserer Zivilisation bislang so erfolgreich verhindern können, dass jetzt, im 21 Jahrhundert eine Partei, die unter anderem Frauen gerne wieder primär in Küche und Kindbett sähe Wahlrekorde hinlegt. 

Dabei sind Patriarchat und Faschismus aufs engste verwandt, mehr noch: sie bedingen einander. Faschismus ist ohne patriarchale Denkstrukturen nicht lebensfähig. Vielleicht bekommen wir ja die echte Gleichberechtigung, wenn wir das beherzigend den Faschismus bekämpfen indem wir die endlich die Gleichberechtigung sicherstellen.