„Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen.“ Ansonsten drohen Parallelgesellschaften und Eltern bringen ihre Kinder auf Privatschulen unter. So Linnemann der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion. Der für ein „Einschulungsverbot„ zugunsten einer Vorschulpflicht plädiert, solange keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorliegen (1)

Ein echtes Gesamtpaket, was der Fraktionsvize der Union da schnürt: In einem einzigen Statement schafft er es sich dem rechten Wählerrand anbiedernd fremdenfeindliche Ressentiments bedienen, dies als Hilfe und Bildungsarbeit zu kaschieren, den Fremden die Schuld für den Zustand der staatlichen Schule in die Schuhe zu schieben, Verständnis für die Eltern zu zeigen, die ihre Kinder auf Privatschulen geben aber vor Parallelgesellschaften (sic!) warnen und mangelnde Integration anzuprangern. Dabei hat er eigentlich etwas sinnvolles gesagt: Man muss dem Bildungssystem helfen, denen zu helfen, die besondere Herausforderungen wie etwa fehlende Deutschkenntnisse haben.

Was er daraus gemacht hat ist eine nicht nur latent xenophobe Entschuldigung dafür, dass man seine Kinder nicht auf kaputte staatliche Schulen gibt. Nun in einem Land in dem Banken über Nacht, Schultoiletten hingegen nie gerettet werden ist dies vielleicht einfach nur der konsequente Diskurston: Wer hat, der orientiert sich privat, und der Rest sieht zu, wie er klar kommt. Selber schuld, die hätten ja auch reich sein können. Und dann schauen wir aus den gesicherten Fenstern unserer Gated Community auf die Parallelgesellschaften und fragen uns ob es noch sicher ist, da draussen. Also da, wo die Schulen aussehen wie Slums und wo zu wenig Lehrer zu viele Probleme mit zu geringen Mitteln lösen müssen. Und weil Besitz in Deutschland noch immer Recht und Rechtfertigung war, ist die Schuld natürlich bei denen zu suchen, die zu doof waren einen Hedgefonds aufzubauen, eine Firma zum richtigen Zeitpunkt gründen, auf der Beförderungsleiter stets nach oben zu fallen oder es zum Ausgleich nichtmal schafften vernünftig zu erben. Ganz nebenbei: für eine Partei, die seit gefühlt Generationen die bildungspolitischen Rahmenbedingungen diktiert ist es schon mehr als bemerkenswert frech, wenn man sich dann angesichts von Problemen die man selbst verantwortet verständnisvoll zeigt, wenn Menschen sich und ihre Kinder da rausnehmen.

Integration geht dann, wenn Menschen einbezieht, nicht ausgrenzt. Die Union steht bei der Bildung aber für Privatisierung und die vorsätzliche Vernachlässigung staatlich garantierter Bildung und damit Chancengleichheit. Da es nicht so ist, dass wir kein Geld hätten, muss es wohl so sein, dass es uns nicht wert erscheint Bildung und Chancengleichheit als Staatsaufgabe zu begreifen. Ich gebe an dieser Stelle zu bedenken, dass die Privatisierung der Bildung in den USA beginnend in den 1960ern bis auf den Reichtum einiger weniger Anbieter gesamtgesellschaftlich nur negative Folgen hat: das Absinken des US Bildungsstandes korreliert mit der Zunahme der Privatisierung. Analphabetismus in den USA nähert sich beispielsweise wieder dem Niveau vorindustrieller Zeiten. In der Hauptstadt kann schätzungsweise 1/3 der Bevölkerung nur rudimentär bis gar nicht lesen. Und Bildung ist so absurd teuer, dass Bildung heute neben Krankheit das größte Schuldenrisiko in den USA darstellt. Gleichzeitig sind viele der Bildungs-Diplome das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind, weil man mit Geld eben alles kaufen kann, auch Bildung. Und dass Bildungsseparation Rassismus nicht verhindert, sondern fördert ist in Amerika kein Fehler des Systems, sondern in weiten Teilen dessen Absicht. Die „richtigen“ Kinder mit den „richtigen“ Kindern zusammenbringen ist das wichtigste Ziel der „richtigen“ Schulen, nicht Bildung. Womit wir wieder bei dem neuen Bildungsexperten der Union ankämen. Wenn Herr Linnemann wirklich Parallelgesellschaften verhindern will, muss er statt Schulausschlüssen für dafür sorgen, dass sich niemand dem gemeinsamen Bildungsstandards entzieht. Dies statt mit Verboten durch das genaue Gegenteil, nämlich der Durchsetzung von Schulpflicht und dem Erhalt und Ausbau des Bildungssystemes. Bildung ist Infrastruktur und Rückgrat einer Gesellschaft, daher muss für den privaten Bereich gelten, dass er a eine zu begründende Ausnahme bleibt und eben für keine Gesellschaftsgruppe zum Regelfall wird und b dass er nicht gewinn- sondern bildungsorientiert und unter strenger staatlicher Kontrolle zu sein hat.

Aber eigentlich würde es schon ausreichen, wenn der Fraktionsvize nicht die Angst vor einer starken AfD mit populistischer Bauernfängerei auf dem Rücken unseres Bildungssystemes betriebe.

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-08/carsten-linnemann-grundschule-integration-deutschkenntnisse-cdu