Es war in Deutschland schon immer leichter eine Kita zu schließen, als auch nur einen einzigen Parkplatz abzuschaffen. Dass Fuß- und Radwege gewohnheitsmäßig als Sonderparkfläche toleriert werden wird dabei als ebenso natürlich hingenommen, wie das Wetter oder der tägliche Dauerstau zwischen Konstanz und Flensburg, den tatsächlich erst eine globale Pandemie auflösen konnte. Wobei es bizarrerweise nicht das dringenste Anliegen des Verkehrsministeriums ist, dies als willkommene Gelegenheit für die längst überfällige Verkehrswende zu nehmen, sondern dieses es als seine wichtigste Aufgabe begreift den Dauerstau möglichst schnell wieder zu etablieren, ja durch Kaufanreize und damit mehr Fahrzeuge noch zu verschärfen. 

Eine logische Folge des Umstandes, dass das öffentliche Leben und damit auch und vor allem die deutschen Städte seit den 1950ern konsequent vom Auto und nicht vom Menschen her gedacht werden. Es ist das eherne Glaubensbekenntnis jedweder Stadtplanung, dass ohne Auto kein Quartier, keine Stadt, kein stadtnaher Raum und schon gar kein Land denkbar seien. Es ist die Religion der Vollgaskranken, die wir als Naturgesetz begriffen und zur Staatsraison erhoben haben. 

Funfakt: vor der vollständigen automobilen Erschließung Deutschlands konnte man von Schwäbisch Hall nach Stuttgart schneller mit der Bahn kommen als heute, und das war noch zu Reichsbahn-Dampfzeiten. Selbst heute ist es mit der Bahn trotz aller Privatisierung und den Fährnissen eines Benutzer offensichtlich zutiefst hassenden Beförderungssystems je nach Tageszeit nur unwesentlich langsamer (oder sogar schneller), als mit dem PKW. Dennoch bauen wir die Straßen aus und fragmentieren weiter den ÖPNV. Dazu passt auch die ewige Diskussion, dass Bahn sich ja eben auch wirtschaftlich rechnen müsse, während die Alimentierung des Individualverkehrs durch den öffentlichen Straßenbau und -unterhaltung als selbstverständlich und daher fraglos nicht, oder eben nur von ein paar Spinnern die keine Ahnung haben zu diskutieren. Wie gesagt, es ist eine Religion, da darf man nicht wirklich auf Logik hoffen. 

Wären die Städte hingegen vom Menschen her gedacht, wir würden unter anderem jetzt, zur Bewältigung der Auswirkungen von Corona auf das öffentliche Leben, leidenschaftlich über den Ausbau von Kitas, wohnortnaher Versorgung, Parks, ÖPNV und Radwegenetzen diskutieren. Wir aber diskutieren Kaufanreize für Autos. 

Klar, Autos bedeuten Arbeitsplätze – noch. Aber mit jeder neuen Autogeneration werden weniger Menschen beschäftigt. Die Umstellung etwa auf die Antriebstechnologien nach den Verbrennern bedeutet den Wegfall hunderttausender Arbeitsplätze (1). Diese Industrielle Revolution schafft aber nicht wie die vorhergehenden Auffangbecken für die Arbeitnehmer. Konnte man einen Weber noch in eine Fabrikhalle setzen und einen Fabrikarbeiter einen Anzug überstreifen, um ihn eine Datenmaske füttern zu lassen fehlt heute zunehmend dieser Ausgleich. Die Grenzen der Beschäftigung einer dem Gesetz der Industrialisierung innewohnenden Prozessoptimierung folgenden Wirtschaft sind heute so deutlich absehbar, wie es eine Hauswand ist, auf die man gerade ungebremst zurast. Das war ok, solange Technik teurer als menschliche Arbeitsleistung war, Mittlerweile sind aber branchenübergreifend Menschen der Hauptkostenfaktor der betrieblichen Unternehmung und deren Abschaffung damit ganz oben auf der To-Do Liste aller CEOs und Unternehmensberatungen. 

Und auch wenn wir heute gefühlt jeden durch Abitur, Studium und Promotion schuppsen- wir bekommen mehr Titelträger aber nicht mehr intelligente Menschen. Das Gesülze der Hochqualifizierung kommt von Menschen die verständnisloses Überleben im Soziozoo der Verwaltungsflure moderner Unternehmungen als qualifizierter als die Ausübung jedes Handwerks begreifen. Eben von Menschen, die zum Hammer greifen, wenn sie eine Schraube sehen. Das ist so ok, wie es Gleichnis für diese unsere Menschheit ist. Die Menschheit besteht eben aus solchen und solchen. Wir brauchen Arbeit für beide und die dazwischen. 

Wir brauchen also ganz dringend Ideen für eine Gesellschaft und damit auch Wirtschaft, die vom Menschen und eben nicht vom Absatz her gedacht wird, da die Absätze aufhören dem Menschen zu dienen. 

Dabei bin ich weder Träumer noch Sozialromantiker. Die Menschen sind als soziales Wesen eben auch vom Wesen her hierarchisch strukturiert. Neid und Gier sind verachtenswerte Eigenschaften, die nicht zu Unrecht in jeder Religion ganz oben auf der Liste der vom den Gläubigen anzugehenden und als Grundübel erkannten Eigenschaften stehen. Eben weil sie unabdingbarer Teil der menschlichen Natur sind. Daher müssen auch alle Ansätze fehlgehen, die die Umsetzung einer allgerechte Welt von glücklichen Menschen anstreben. Dies, da diese Ideen konsequenterweise die Verschiedenheit der Ausprägung der menschlichen Natur aufheben wollen (und das natürlich in der Regel unter Anleitung einiger weniger, die Deutungshoheit für sich reklamierenden, eben Gleicheren unter ansonsten Gleichen) Die Welt soll und muss aber das Glück aller anstreben, will sie gelingen. Daher muss sie den Menschen nehmen wie er ist. Wechselhaft, mal klug, oft dumm, gerne und gewohnheitsmäßig die Welt alleinig aus der Ich-Perspektive betrachtend, in der Regel mehr wollend denn tuend, und dabei immer für das Leben anderer eine einfache Antwort parat habend. Für diesen Menschen also muss eine Gesellschaft ein Zuhause sein. Und je besser ihr das in der Vielfalt des Menschen gelingt, so meine feste Überzeugung, desto resilienter und desto friedlicher wird sie sein. 

Diese Veränderungen, die für eine vom Menschen her gedachte Welt notwendig sind, sind dabei durchaus mit Wettbewerb und Kapitalismus vereinbar. Wahrscheinlich ist dies auch der beste Schlüssel, den wir haben. Gerade in Zeiten globalisierter Märkte haben wir alle Möglichkeiten die Marktbedingungen zu steuern. Und mit Europa als einem der, wenn nicht dem größten und wichtigsten Handelsplatz der Welt sowieso. Und bei Lichte betrachtet haben wir doch schon immer die Marktgesetze und -rahmenbedingungen bestimmt, denn ohne uns Menschen gäbe es keinen Markt. Märkte sind kein Naturphänomen, sondern ein Kulturprodukt und daher wie Kultur änderbar.

1) https://www.handelsblatt.com/…/autoindustrie-…/25405230.html

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